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Rezension: Seide und Geschmeide- 100 Jahre Schmuck und Mode. Eine Stilgeschichte

Autorin dieses Buches ist Carol Woolton, die Schmuckredakteurin der britischen Vogue, die als eine international führende Schmuckexpertin gilt.

Symbolisierten Juwelen ursprünglich eher Reichtum als Stil, gingen in den letzten 100 Jahren Mode und Schmuck eine zunehmend engere Verbindung ein. In Zeiten der "Belle Époche" tauchten erstmals deutliche Gemeinsamkeiten in der Kollektion von Couturiers und Juwelieren auf. Damals wurden Korsettkleider aus Chiffon und Crepe de Chine in Gold und in Silber mit Rosen und Lilien bestickt. Diese auch prägten thematisch den Girlandenstil des Schmucks um die Jahrhundertwende.


Als eine der ersten Couturiers wandte sich Coco Chanel dem Schmuckdesign zu. Sie schuf gemeinsam mit dem sizilianischen Fürsten Fulco di Verdura den juwelenbesetzten Armreif mit Malteser-Kreuz, das vor geraumer Zeit eine Renaissance erfuhr. Mittlerweile kommen übrigens Mode und Schmuck gewissermaßen aus einer Hand.


Im Rahmen vieler Fotos werden im Buch Schmuckstücke vorgestellt, die in den letzten 100 Jahren kreiert worden sind. Es wird das Zusammenspiel zwischen bestimmten Kleidungsstücken und Schmuck, beispielsweise zwischen Twinset und Perlen und das Zusammenspiel moderner Ikonen wie Lady Di, Lady Gaga etc. und der Mode-und Schmuckwelt aufgezeigt.


Themen sind u.a. "Art nouveau", das im deutschsprachigen Raum als Jugendstil bekannt ist. Dieser Stil war mehr eine Denkweise, denn ein Stil und zwar eine solche, die mit klassischen Stilen brach und selbst aus reinen Gebrauchsgegenständen Kunstwerke machte. Im Schmuckbereich war "Art nouveau" für in Läden und Büros zunehmend tätige Frauen, denen Juwelen bis dahin als elitär gegolten hatten, der passende Stil, (vgl.: S.13). Man liest von René Lalique (1869-1945) dessen Art-nouveau-Ästhetik die französische Schmuckindustrie von einem Gewerbe in eine Kunst umwandelte und hat Gelegenheit, einige seiner Arbeiten zu bewundern, (siehe Seite 13-15).


Gabrielle Chanel (1883-1971) soll im schwarzen Pullover mit 10 Perlensträngen um den Hals die Mode revolutioniert haben. Sie war es, die als erste dafür eintrat, echten mit falschem Schmuck zu mischen. Fotografisch vorgestellt wird u.a. ein Halsband von Chanel aus dem Jahre 1932. Die Tatsache, dass sie ihre teuren orientalischen Perlen inmitten einer Reihe von Fälschungen trug, zeigt mir, dass Coco Schmuck als das Begriffen hat, was er ist und nicht als Wertanlage.


Man liest von der Blumenmode, hier auch von Schmuckblumen sowie von Jean Schlumberger (1907-1987), der bei Tiffany u. Co. der erstmals genannte Schmuckdesigner war und lernt eine Fülle von Arbeiten mit Blumenmotiven unterschiedlicher Designer kennen, darunter eine sehr hübsche emaillierte Orchideenbrosche mit Diamanten von Tiffany u. Co.


Es ist unmöglich all die Schmuckstücke im Buch im Rahmen der Rezension zu thematisieren. Mir gefallen die Arbeiten des britischen Designers Theo Fennell (geb.1951), der aus kühnen Farbblöcken extravaganten Schmuck kreierte. Sein Juweliersalon wurde zu einem Leuchtfeuer für innovatives Design in sprühenden Farben, wie Abbildungen sehr schön zum Ausdruck bringen, (vgl.: S.80).


Nicht uninteressant auch ist der "Maharani-Stil", der erstmals in den 1930er Jahren auftauchte und der wohl von den Reichen und Schönen in den 60er Jahren gerne getragen wurde. Orange Feueropale, lavendelfarbene Cordierite, gelbe Zitrine, Peridots und rosa Turmaline entzücken gewiss nicht nur Inderinnen als schmückendes Beiwerk zu einem dünnen Sommergewand.


Man liest von einem altrosa Stein mit dem Namen Kunzit, der seinen Namen dem Juwelenkönig und berühmtesten Gemmologen der Welt, Georg Frederick Kunz verdankt, der von 1880 bis 1927 im Dienst von Tiffany u. Co stand. Die Kollektion "Cherry Blosson" von Shaun Leane ist mit ihren blassrosafarbenen Emailblüten und zierlichen rosa Perlen auf feinen Zweigen aus Gold und oxidiertem Silber, die einen Finger und die Ohrläppchen zieren, als Beiwerk zu schlichten Sommerkleidern geeignet.


Über Taschenuhren wird man aufgeklärt und erfährt, das diese im 16. Jahrhundert entwickelt wurde, sowie im späten 19. Jahrhundert zur Standardausrüstung der Eisenbahner zählten. Die extraflache Taschenuhr von Cartier aus dem Jahre 1905 würde ich als Geschenk nicht ablehnen.


Sobald Juweliere Spitzen-, Häkel- und Strickgewebe in sanft gewebten, metallischen Kettenstoff oder Stücke aus goldenen Spinnenfäden uminterpretieren, verschwimmen die Grenzen zwischen Stoff und Schmuck, wie ein Foto zeigt.

Begeistert bin ich, dass man auch einige wundervollen Schmuckstücke aus dem Hause Hemmerle abgelichtet hat, zu denen ich vor einiger Zeit bereits eine Rezension schrieb. Dieses Haus fertigt faszinierende Schmuckstücke aus Messing, Kupfer, Eisen und rostfreiem Stahl an und lässt ein Nebeneinander eines gewöhnlichen Metalls und eines spektakuären, tiefblauen Aquamarins oder auch eines orangefarbenen Diamanten zu. Von all den vielen Schmuckstücken im Buch gefallen mir die Arbeiten Hemmerles derzeit am besten, weil sie an Ästhetik nicht zu überbieten sind. Die abgebildeteten Armreife passen gut zu Kleidung im Stil von Armani oder Jil Sander und lassen weiteren Schmuck im Grunde nicht zu. Nichts für verspielte Frauen.


Ein großartiges Buch.
Bilder: Mit freundlicher Genehmigung des Prestel Verlages

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