Der Untertitel der vorliegenden Studie macht bereits deutlich, worum es dem Autor Jan Keupp geht. Gezeigt werden neben den sozialen Grenzsetzungen auch die subjektiven Spielräume mittelalterlicher Kleiderwahl. Auf der Plattform zeittypischer Normierungsbemühungen und Machtmechanismen wird das Gewand als Ansatzpunkt konsensualer, wie kontroverser Aushandelsprozesse fokussiert. Die Kleiderwahl des Mittelalters teilt sich als Kampffeld widerstreitender Identifizierungsangebote mit, so der Autor. Dabei wird mittels der Kleidung um Rang, Ansehen und soziale Beheimatung gestritten. An dieser Selbstverortung durch Kleidung hat sich bis heute m.E. im Grunde wenig geändert, auch wenn dies zumeist vehement verneint wird.
Zur Sprache gebracht werden u.a. das Selbst und seine Hüllen und hier die Autorität der Äußerlichkeiten, Kleiderordnungen und Ständedenken. In einer Welt, in der Ehre und Anerkennung die zentralen Wertekategorien darstellten, bedurfte es offenbar einer optischen Lesbarkeit dieser Welt, die die rechte Ordnung des sozialen Miteinanders zum Ausdruck brachte, (vgl.S.44).
Man wird über die Geschichte des Tragbaren informiert. Auszeichnungsstreben des Einzelnen und Nachahmungstrieb der Allgemeinheit führten, wie man am Schnabelschuh sehr deutlich erkennen kann, zur Etablierung und zur Weiterentwicklung neuer Stilformen, (vgl.: S.81).
Man wird über die Geschichte des Tragbaren informiert. Auszeichnungsstreben des Einzelnen und Nachahmungstrieb der Allgemeinheit führten, wie man am Schnabelschuh sehr deutlich erkennen kann, zur Etablierung und zur Weiterentwicklung neuer Stilformen, (vgl.: S.81).
Der Autor schreibt auch über Elisabeth von Thüringen, die vom franziskanischen Armutsideal inspiriert, sich vom Glanz höfischer Prachtentfaltung bewusst distanzierte, allerdings blieben ihre moralischen Einlassungen durch das Tragen von Demutsgewändern in jener Zeit eher ein Einzelfall.
Man liest von ausgestoßenen Aufsteigern, auch von der Selbststilisierung im Zeichen der Kleidung. Der enge Konnex von Schönheitsideal, Kleiderauswahl und Selbstdisziplin weist auf das offene Potential der einkopierten Handlungsdispositionen hin. Der in Kleiderauswahl, Manieren und Motorik deutlich gemachte Habitus als "Erzeugungs- und Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen" eröffnete eine aussichtsreiche Chance der Selbstverortung im sozialen Raum, (vgl. S.137).
Im Teil II der Studie geht es um Politik in Zeichen der Kleidung, thematisiert wird u.a. das Ritual der Investitur, das die Gegenwart in den breiten Strom von Vergangenheit und Zukunft einband, indem sie einen Amtsträger mit der Aura gesteigerter Autorität umgab, ihn aber zeitgleich auf den Modus künftigen Verhaltens verpflichteten, der mithin in der Vorstellung einer gottgewollten Ordnung des irdischen Daseins sein festes Fundament besaß, (vgl.S.163).
Aufgeklärt wird man des Weiteren über das Privileg gleicher Kleider und über die integrative Funktion von Kleidung, über die Entkleidung des Herrschers u.a.m. Es führt zu weit im Rahmen dieser Rezension auf all diese Facetten näher einzugehen oder gar die das breite Feld der Spielarten der Auszeichnungen hier unter die Lupe zu nehmen. Hinweisen möchte ich darauf aber schon.
Zusammenfassend ist festzuhalten, während im Mittelalter die Kleiderwahl aufgrund von hierarchische Differenzierung, religiöser Daseinsordnung und kollektiver Ehre von Bedeutung waren, geht es heute um die Betonung der Marktmacht der Modelabels, um Freiheitsdiskurs und soziale Pluralisierung, aber es geht m.E. nach wie vor auch um eine soziale Dimension. Wer dies leugnet, lebt in einer anderen Matrix, zumindest nicht auf dieser Welt.
Lesenswert.
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